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wohninsider.atTRAINING : WISSEN
K
ennen Sie die Geschichte von
Johnny? Johnny ist Einpacker
in einem amerikanischen Su-
permarkt. Und er hat das
Down-Syndrom. Als alle dort
nach Begeisterungsideen für
ihre Kunden suchten, hatte Johnny folgende
Idee: Er fand schöne Sinnsprüche im Internet,
druckte sie aus und unterschrieb sie mit sei-
nem Namen.
Diese Zettel legte er den Leuten, ohne ein
Wort zu sagen, ganz unten in die Einkaufstü-
te. Schon am zweiten Tag wurde die Schlange
an Johnnys Kassa länger. Und Menschen, die
sonst nur manchmal kamen, kamen und kauf-
ten jetzt jeden Tag. Sie schenkten Johnny Zeit
und dem Geschäft Geld – für einen Moment
des Glücks.
Vom Müssen zum Wollen und
Dürfen
Gute Ideen zum Kundenbegeistern sollten
nicht von „Oben“ kommen, sondern von den
Mitarbeitern selbst entwickelt werden. Deren
„Machenwollen“ erreicht man immer dann
am besten, wenn sie freiwillig sagen, sie könn-
ten sich vorstellen, etwas in Zukunft so und so
zu machen.
Begeisterung für die Sache wird auf diesem
Weg gleich mitgeliefert. Und wichtiger noch:
Die geplanten Maßnahmen werden dann
auch engagiert umgesetzt. Denn sie wurden
in Eigenregie entwickelt. So entsteht dann der
„Mein-Baby-Effekt“. Und sein Baby lässt man
nicht im Stich.
Bevor es – am besten im Rahmen eines Work-
shops – auf die Ideensuche selber geht, lasse
ich, nach einer Einführung ins Thema, die
Mitarbeiter zunächst an folgenden Punkten
arbeiten:
Ì
Ì
Wenn ich selber Kunde bin, was ist mir
dann besonders wichtig?
Ì
Ì
Wenn ich selber Kunde bin, was ärgert
mich und stößt mich ab?
Ì
Ì
Was erzählen unsere Kunden im Guten
wie im Schlechten über uns?
Ì
Ì
Und wonach haben sie in letzter Zeit
öfter gefragt?
Ì
Ì
Was dürfen wir keinesfalls tun, weil es
unsere Kunden vergrault und vertreibt?
Ì
Ì
Was sind die Minimumerwartungen un-
serer Kunden, die erfüllt werden müssen?
Ì
Ì
Was könnte unsere Kunden begeistern,
weil es ihre Erwartungen übertrifft?
Ì
Ì
Was habe ich als Mitarbeiter/in davon,
wenn ich Kunden begeistere?
Ì
Ì
Und was hat das Unternehmen davon,
wenn wir das alle gemeinsam tun?
So schafft man eventuelle Hindernisse und
auch eine mangelnde Einstellung in Sachen
Kundenbegeistern schnell aus dem Weg.
Enttäuscht, okay oder begeistert?
Ist diese Vorarbeit erledigt, wird zunächst eine
Liste der Touchpoints definiert, an denen man
mit Kunden in Berührung kommt, und die
man optimieren will. Diese werden dann auf
Enttäuschungs-, Okay- und Begeisterungsfak-
toren hin untersucht.
Die entscheidende Frage ist, was der Kunde im
Vorfeld erwartet, und was er im Vergleich dazu
erhält. Dem geht man wie folgt auf den Grund:
Ì
Ì
Was ist enttäuschend? (= was wir keines-
falls tun dürfen)
Ì
Ì
Was ist Okay? (= unser Minimum-Stan-
dard, die Null-Linie der Zufriedenheit)
Ì
Ì
Was ist/wäre begeisternd? (= was wir
bestenfalls tun können)
Dabei geht es sowohl um die Leistungen an
sich, als auch um die sie begleitenden Emotio-
nen. Das Ergebnis für den Kunden schwankt
irgendwo zwischen herber Enttäuschung und
hehrer Begeisterung. Solche Überlegungen
lassen sich zum Beispiel an einer Pinnwand
listen.
ANNE M. SCHÜLLER
Johnny, und wie man aus Mitarbeitern
Kundenbegeisterer
macht
Anne M. Schüller
, Autorin, Businesscoach, Managementdenker und Keynote-Speaker.
Foto: Anne M. Schüller