Previous Page  106 / 116 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 106 / 116 Next Page
Page Background

104

wohninsider.at

TRAINING : WISSEN

K

ennen Sie die Geschichte von

Johnny? Johnny ist Einpacker

in einem amerikanischen Su-

permarkt. Und er hat das

Down-Syndrom. Als alle dort

nach Begeisterungsideen für

ihre Kunden suchten, hatte Johnny folgende

Idee: Er fand schöne Sinnsprüche im Internet,

druckte sie aus und unterschrieb sie mit sei-

nem Namen.

Diese Zettel legte er den Leuten, ohne ein

Wort zu sagen, ganz unten in die Einkaufstü-

te. Schon am zweiten Tag wurde die Schlange

an Johnnys Kassa länger. Und Menschen, die

sonst nur manchmal kamen, kamen und kauf-

ten jetzt jeden Tag. Sie schenkten Johnny Zeit

und dem Geschäft Geld – für einen Moment

des Glücks.

Vom Müssen zum Wollen und

Dürfen

Gute Ideen zum Kundenbegeistern sollten

nicht von „Oben“ kommen, sondern von den

Mitarbeitern selbst entwickelt werden. Deren

„Machenwollen“ erreicht man immer dann

am besten, wenn sie freiwillig sagen, sie könn-

ten sich vorstellen, etwas in Zukunft so und so

zu machen.

Begeisterung für die Sache wird auf diesem

Weg gleich mitgeliefert. Und wichtiger noch:

Die geplanten Maßnahmen werden dann

auch engagiert umgesetzt. Denn sie wurden

in Eigenregie entwickelt. So entsteht dann der

„Mein-Baby-Effekt“. Und sein Baby lässt man

nicht im Stich.

Bevor es – am besten im Rahmen eines Work-

shops – auf die Ideensuche selber geht, lasse

ich, nach einer Einführung ins Thema, die

Mitarbeiter zunächst an folgenden Punkten

arbeiten:

Ì

Ì

Wenn ich selber Kunde bin, was ist mir

dann besonders wichtig?

Ì

Ì

Wenn ich selber Kunde bin, was ärgert

mich und stößt mich ab?

Ì

Ì

Was erzählen unsere Kunden im Guten

wie im Schlechten über uns?

Ì

Ì

Und wonach haben sie in letzter Zeit

öfter gefragt?

Ì

Ì

Was dürfen wir keinesfalls tun, weil es

unsere Kunden vergrault und vertreibt?

Ì

Ì

Was sind die Minimumerwartungen un-

serer Kunden, die erfüllt werden müssen?

Ì

Ì

Was könnte unsere Kunden begeistern,

weil es ihre Erwartungen übertrifft?

Ì

Ì

Was habe ich als Mitarbeiter/in davon,

wenn ich Kunden begeistere?

Ì

Ì

Und was hat das Unternehmen davon,

wenn wir das alle gemeinsam tun?

So schafft man eventuelle Hindernisse und

auch eine mangelnde Einstellung in Sachen

Kundenbegeistern schnell aus dem Weg.

Enttäuscht, okay oder begeistert?

Ist diese Vorarbeit erledigt, wird zunächst eine

Liste der Touchpoints definiert, an denen man

mit Kunden in Berührung kommt, und die

man optimieren will. Diese werden dann auf

Enttäuschungs-, Okay- und Begeisterungsfak-

toren hin untersucht.

Die entscheidende Frage ist, was der Kunde im

Vorfeld erwartet, und was er im Vergleich dazu

erhält. Dem geht man wie folgt auf den Grund:

Ì

Ì

Was ist enttäuschend? (= was wir keines-

falls tun dürfen)

Ì

Ì

Was ist Okay? (= unser Minimum-Stan-

dard, die Null-Linie der Zufriedenheit)

Ì

Ì

Was ist/wäre begeisternd? (= was wir

bestenfalls tun können)

Dabei geht es sowohl um die Leistungen an

sich, als auch um die sie begleitenden Emotio-

nen. Das Ergebnis für den Kunden schwankt

irgendwo zwischen herber Enttäuschung und

hehrer Begeisterung. Solche Überlegungen

lassen sich zum Beispiel an einer Pinnwand

listen.

ANNE M. SCHÜLLER

Johnny, und wie man aus Mitarbeitern

Kundenbegeisterer

macht

Anne M. Schüller

, Autorin, Businesscoach, Managementdenker und Keynote-Speaker.

Foto: Anne M. Schüller